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Eine mathematische Reise durch Afro-Latin-Jazz-Rhythmen

— Interview mit Michael Fleiner (Septeto Internacional) am 22.1.2017 im Moods Zürich

 

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Michael Fleiner, Piano, Lead & Compositions, Switzerland
 | Bernhard Bamert, Trombone, Switzerland
 | Daniel Bagutti, Drums, Switzerland | 
Lolo García, Alto Saxophone, Spain
 | Stéphane Jörg „El Niño, Congas, Switzerland
 | Juan Munguía, Trumpet & Fluegelhorn, Cuba
 | Eduardu „Dudu“ Penz, Bass Brazil

 | Jonas Macullo, Sound Engineer, Switzerland


— Michael, erzähl etwas über Dich... wo und wann bist du geboren? Aus was für eine Familie stammst du (Eltern, Geschwistern), wo bist du aufgewachsen? Bist du der einzige Künstler?
— Ich bin am 7. Februar 1970 in Freiburg (CH) geboren. Zuerst wohnten wir in der Stadt Freiburg, danach, als ich zwei Jahre alt war, zügelten wir nach Marly (5 km von Freiburg entfernt).
Zur Schule bin ich aber in Freiburg, da es in Marly keine deutschsprachige Schule gab.
Primarschule Botzet, Progymnasium & Gymnasium Ste Croix. (Typ C, Naturwissenschaften). Matura im Jahr 1989.
Habe mit 7 Jahren angefangen Klavier zu spielen (klassisch). Mit ca. 12 Jahren habe ich mit Jazz weitergemacht, am Konservatorium in Freiburg. Mit ca. 15 Jahren gründete ich meine erste eigene Jazz-Band.
Zu dieser Zeit (1985) kam erstmals der Wunsch, Musik zu studieren.
Mein Vater war Uniprofessor für Jus an der Uni in Freiburg und leitete das Institut für Föderalismus. Meine Mutter arbeitete ehrenamtlich. Sie war eine Zeitlang Präsidentin der Pfadi Schweiz, hat eine Studentenkrippe an der Uni FR gegründet und geleitet, war im Elternverein und hat sich um die Familie gekümmert.
Ich habe drei Geschwister, bin aber der einzige Profi-Musiker. Mein älterer Bruder ist Informatiker. Meine jüngeren Schwestern sind Turnlehrerin beziehungsweise Geografin (Raumplanung). Meine Grossmutter spielte schon Klavier (hobbymässig) und hatte einen Flügel, der dann meine Mutter erbte, die ebenfalls Klavier spielt (hobbymässig) und mir die Leidenschaft übermittelte. Der Flügel stand dann in unserem Wohnzimmer. Alle ausser mein Vater spielten Musik und nahmen auch Unterricht: Klavier, Blockflöte, Querflöte, Klarinette, Geige, Gitarre. Je nachdem für kurze oder auch längere Zeit. Eine meiner Schwestern spielte auch in einem Ensemble.
Berufsmusiker in meiner Familie ist meine Cousine und zwei von ihren Kindern. Ein entfernter Verwandter spielt auch beruflich Querflöte.
Seit 2007 bin ich verheiratet und lebe in Bellinzona mit meiner Frau Manuela. Habe zwei Kinder: Emilia (9 Jahre) und Diego (7 Jahre).

 

— Was wolltest du von Kleinauf werden? Was waren deine Träume? Wusstest du schon immer, dass du Musiker werden willst?
— Erst als Teenager begann ich über mein späteres Berufsleben nachzudenken. Zuerst wollte ich Mathematik studieren. Ich hatte nie Schwierigkeiten in diesem Fach. Mit ca. 15 Jahren kam dann das Interesse, ein Jazzstudium an der Swiss Jazz School in Bern zu absolvieren, und das Gymnasium aufzugeben. Mein Klavierlehrer hat meiner Mutter und mir jedoch davon abgeraten! Es wäre besser, zuerst die Matura zu machen und danach mit dem Studium anzufangen. Dies habe ich dann auch getan.
Danach kam ziemlich schnell der Gedanke, Musik und Naturwissenschaften zu verbinden, denn nur Mathematik zu studieren wäre sicher sehr interessant gewesen, aber das Berufsfeld oder besser gesagt der ganze Arbeitstag vor dem Computer zu verbringen, war mir nicht Recht. Ich begann mich für ein Tontechniker-Studium zu interessieren. Es gab verschiedene Schulen in Deutschland mit zum Teil sehr anspruchsvollen Aufnahmeprüfungen. Um mich gut dafür vorzubereiten habe ich mit Solfègekursen angefangen. Doch bevor ich dieses Tontechniker-Studium beginnen sollte, hatte ich Lust ein Austauschjahr zu machen. Zwei Jahre vor der Matura kam in meine Klasse eine Austauschstudentin aus Kolumbien, sie hiess Claudia. Sie hat mir viel von Kolumbien erzählt und auch die Musik vorgespielt. Ich war fasziniert von der Salsa Musik. Sie hat mir auch die ersten Schritte des Salsa-Tanzes beigebracht. So kam mein Wunsch, ein Auslandsjahr in Kolumbien zu verbringen. Es war aber nicht einfach, meine Eltern davon zu überzeugen. Sie glaubten ich würde nur wegen Claudia nach Kolumbien reisen wollen. Aber das war nicht wahr. Ich wollte nicht in die USA reisen, wie viele es tun, sondern etwas Exotischeres und weniger Konventionelles erleben. Ich fand, dass ich sicher irgendwann mal in die USA reisen würde, aber nach Kolumbien sicher nicht. Nach langem hin und her haben meine Eltern akzeptiert, dass ich mich für Kolumbien entscheiden durfte. Im letzten Jahr vor der Matura und vor meiner Kolumbienreise habe ich profitiert, und bin an verschiedene Salsa-Abende gegangen um mich gut vorzubereiten ☺
In Kolumbien habe ich nur ganz wenig Sozialarbeit geleistet. Da ich mich ja auch auf mein zukünftiges Tontechnikerstudium vorbereiten wollte, ging ich zuerst in eine Musikschule. An dieser Schule nahm ich Klavierunterricht (klassisch) und traditionellen kolumbianischen Perkussionsunterricht. Ich lernte die verschieden Rhythmen der kolumbianischen Folklore kennen. Nebst meinem Studium kam ich schnell in Kontakt mit anderen Musikern. Zusammen gründeten wir eine Latin-Jazz Band. Wir hatten unseren ersten Auftritt in der Musikschule. Ich war so begeistert auf der Bühne, dass ich während dem Spielen entschied, nicht ein Tonstudium sondern ein Musikstudium in Angriff zu nehmen. Es gefiel mir eindeutig besser, auf der Bühne zu sein, als im Hintergrund am Mischpult. Der Entscheid war schnell gefällt. Am Ende meines Austauschjahres entschied ich mich, ein Musikstudium an der Uni anzufangen. Ich beschloss also in Kolumbien zu bleiben und begann ein Studium für klassische Musik an der Universität (für Jazz oder Salsa gab es zu dieser Zeit noch keinen Studiengang). Schliesslich bin ich im Ganzen 4 Jahre geblieben.
Mein Studium in Kolumbien habe ich nicht ganz abgeschlossen, da ich doch lieber Jazz spielte. Da es aber zu dieser Zeit nicht möglich war, dies an der Uni zu studieren, beschloss ich in die Schweiz zurückzukehren und an der Jazzschule in Bern zu studieren. Die Rückkehr in die Schweiz war sehr hart! Rekrutenschule! Anderes Ambiente.... Plötzlich war ich mir nicht mehr so sicher mit meinem Musikstudium. Ich hatte auch kaum Stunden, da ich nicht sofort in die Berufsschule kam. Deshalb kam der Gedanken, eine andere Richtung einzuschlagen. Ich informierte mich für ein Physikstudium. Doch aus dem wurde nichts. Ich habe nach 3 Semestern die Aufnahmeprüfung an der Jazzschule in Bern geschafft. Somit war mein Entscheid gefällt. Im 2000 habe ich mein Diplom erhalten.

 

— Weshalb gerade Latin-Jazz?
— Ich habe schon auch viel Jazz gespielt, Modern Jazz. Aber ich habe gemerkt, dass sich beim Latin Jazz und der afrokubanischen Musik das Publikum mehr „bewegt“. Für mich als Musiker auf der Bühne ist es sehr wichtig, dass das Publikum meine Musik spürt, dass es sich mitreisen lässt, dass es mit uns Musikern „abhebt“! Beim Jazz konnte ich dies nicht so gut spüren wie beim Latin Jazz. Dieser Latin-Groove macht sehr viel aus. Viele mögen ihn auch.

 

— Welche Berühmtheiten aus der Musikszene haben dich nachhaltig geprägt?

— Zu All erst: Johann Sebastian Bach ist für mich eine grosse Inspiration: Sein perfekter Kontrapunkt in seinen Werken inspirieren mich für die Stimmführungen in meinen Arrangements.
Von der „Klassischen“ Musik bin ich des Weiteren auch sehr beeindruckt von der Seriellen Musik und der Dodekaphonie (wobei ich mir die Musik nicht anhöre. Aber ich habe die Kompositionstechniken studiert). Bei dieser Stilrichtung fasziniert mich der Umgang mit Ton-Reihen.
Von der Zeitgenössischen Musik hat mich vor allem der Umgang mit Zahlen geprägt. Ich verwende ihn auf meine Weise in mehreren Stücken: de uno a ocho, E.D.A.Y.D.R., E.D.A.R., Matheric, Prolodía #2,
Aber ich lass mich auch von Jazzmusikern inspirieren. Chucho Valdes, Michel Camilo, Seis del Solar, Ray Barretto (latin-jazz projekt), Eddy Palmieri, Rebecca Mauleón usw.

 

— Du bist sehr viel rumgekommen und hast weltweit an vielen Festivals gespielt... was war für dich der eindrücklichste Auftritt und weshalb?
— Ein grossartiger Auftritt war in Cali. Der Hochburg der Salsa. Wir spielten am Ajazzgo Festival, Open-Air. Ein wunderschönes Theater. Es kamen sehr viele Leute, über 5'000. Es war ein schöner warmer Abend. Wir waren die Hauptband. Es war eine spezielle Herausforderung in der Hochburg der Salsa meine Kompositionen basierend auf Latin-Grooves zu präsentieren. Aber es hat sehr gut geklappt. Die Caleños waren begeistert: Standing Ovation! Ein ganz spezieller Moment war, als wir meine Widmung an Kolumbien spielten, das Stück „Homenaje“. Sofort hat das Publikum den Bambuco-Rhythmus erkannt. Es war ein sehr bewegender Moment.

 

— Wie hast du deine Bandmitglieder ausgewählt oder besser gesagt, wie sind diese zusammengekommen?
— Seit der Gründung des Septetos hat es einige Musikerwechsel gegeben. Beim Suchen nach neuen Musikern frage ich entweder Musiker, die ich schon kenne und mit denen ich vielleicht schon gespielt habe, oder jemand empfiehlt mir einen Musiker. Ich muss aber nie ein Inserat aufgeben..

Du hast in Bogotá Klassische Musik studiert... Kolumbien ist u.a. als Salsa-Hochburg bekannt... weshalb also Klassische Musik in Kolumbien??
In meiner Zeit in Kolumbien gab es an der Universität kein Angebot für Salsa noch Jazz zum studieren. Diese Stilrichtungen kamen erst viel später an die Uni. Aber viele meiner Studienkollegen spielten in Salsa- und/oder Jazzbands. Man lehrte diese Stile auf der „Strasse“. Ich hatte keine andere Wahl. Aber ich war und bin sehr froh Klassische Musik studiert zu haben, denn sie half mir sehr, den Jazz zu verstehen. Vor allem was die Harmonie anbelangt. Beim Komponieren und arrangieren erinnere ich mich oft an den klassischen Harmonieunterricht: Kontrapunkt, Stimmführungen....

 

— Du komponierst Musik für verschiedene Bands wie auch für Theater und Film... wo nimmst du deine Inspiration her?
— Das ist schwierig zu erklären. Beim letzten Theater im Sommer 2016 habe ich für das Monte Verita Theater geschrieben. Oft sitze ich am Klavier oder Keyboard und lass mich „gehen“, improvisiere bis ich Etwas finde. Es kann aber sein, dass nichts Brauchbares kommt. Aber oft klappt es zum Glück. Bei diesem Theater habe ich alles auf meinen Zugsreisen vom Bellinzona nach Lausanne geschrieben, auf einem kleinen Keyboard. Ich unterrichte nämlich 2 Tage pro Woche an der Jazzschule in Lausanne, wohne aber in Bellinzona. Zwei mal pro Woche über 4 Stunden im Zug.
Fürs Septeto aber komponiere ich lieber zu Hause oder an der Schule vor einem richtigen Klavier.

 

— Was bedeutet Musik für dich?
— Musik ist für mich wie eine Therapie. Ohne Musik wäre das Leben traurig.
 Mit der Musik fühle ich Dinge, die ich sonst nicht fühle. Ich hoffe, dass es den Zuhörern ebenfalls so ergeht.

 

— Was unterscheidet dich zu anderen Jazz-Musikern?
— Ich bin weniger interessiert an langen, individuellen Improvisationen. Ich bevorzuge kurze und effiziente Improvisationen. Für mich sind die Melodien und Arrangements auch sehr wichtig.
Ich gehe nur sehr selten an Jam Sessions. Ich spiele auch selten mit anderen Bands. Lieber versuche ich meine ganze Energie in meine Band zu stecken.

 

— Stehen in einer Schublade noch „versteckte“ Konzepte für die Zukunft?
— Seit kurzen habe ich das Bedürfnis, parallel zum Septeto, ein Septeto mit Sänger zu gründen.
Aber es soll keine Salsa Band werden, sondern im Stil der Musik vom Septeto bleiben, aber zuzüglich mit Texten.
Gibt es etwas, was du den Lesern von Puntolatino mit auf dem Weg geben willst?
Musik ist ein sehr wichtiger Bestandteil unseres Lebens. Leider wird die Musik nicht immer richtig gewertet. Musik ist überall: Die Leute hören fast Non-Stop Musik. Musik ist ein Massenprodukt geworden, was aber sehr ihre Qualität beeinträchtigt.
Schade ist, dass die Live-Auftritte von Musikern an Bedeutung verlieren. Die Technik hat den Beruf des Musikers stark beeinflusst.
Ich wünsche den Lesern, dass sie weiterhin viel Musik hören. Sie sollten aber versuchen auf gute Qualität zu achten. Ich wünsche ihnen aber auch, dass sie an viele Konzerte gehen. Ein Live-Konzert ist doch ein grossartiges Erlebnis! Sie sollten aber auch wagen, neue und andere Stilrichtungen zu entdecken.

 

— Wenn du die Uhr zurückdrehen könntest... was würdest du ändern in deinem Leben?
— Ich bin eigentlich sehr zufrieden mit meinem Leben, obwohl der Job als Musiker sehr schwer und mühsam und die Konkurrenz sehr gross ist, und die Angebote für Konzerte immer am Abnehmen sind. Ich kompensiere dieses Problem mit dem Unterrichten. So habe ich ein sicheres Einkommen und kann mich voll auf meine Projekte konzentrieren, auch wenn dabei finanziell nicht viel rausschaut.

 

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Impressionen über das Konzert

Ich durfte beim Soundcheck dabei sein und selbst Mayito Rivera war beeindruckt über die Professionalität der Musiker. Eine tolle Band, welche grandios und mit grösster Präzision, die rhythmischen Herausforderungen des Bandleaders zu meistern weiss.
Dem Publikum und mir hat es sehr gefallen und wir wünschen Michael Fleiner y su Septeto Internacional weiterhin viel Erfolg!

 


 

 

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